Ein plötzlicher Verlust, der viele fassungslos zurücklässt: Jan Zimmermann, das Gesicht hinter dem erfolgreichen YouTube-Kanal „Gewitter im Kopf“, ist im Alter von nur 27 Jahren gestorben. Am Abend des 18. November fanden Einsatzkräfte ihn leblos in seiner Wohnung in Königswinter. Die Polizei Bonn leitete ein Todesermittlungsverfahren ein. Nach der Obduktion erklärten die Ermittler, es gebe keine Anzeichen dafür, dass eine andere Person für seinen Tod verantwortlich sei; das Verfahren ist inzwischen abgeschlossen.
Während die offiziellen Stellen damit ihre Arbeit beendet haben, beginnt für Familie, Freunde und Fans erst die eigentliche Trauer. Millionen Menschen kannten Jan vor allem über Bildschirme und Displays, viele begleiteten ihn über Jahre virtuell durch Höhen und Tiefen. Hinter den Aufrufen und Abonnentenzahlen steht die Geschichte eines jungen Mannes, der seine neurologische Erkrankung offenlegte und sie zum Ausgangspunkt für Aufklärung, Humor und Dialog machte. In einem Statement auf Instagram teilten seine Angehörigen später mit, Jan sei am 18. November völlig unvermittelt an einem epileptischen Anfall gestorben.
Das macht den Schock für viele noch größer: Für Außenstehende wirkte sein Leben zuletzt vergleichsweise ruhig, neue Videos erschienen seltener, aber seine Präsenz in den sozialen Netzwerken war weiterhin spürbar. Nun steht die Community vor der Frage, wie man mit einem digitalen Vermächtnis umgeht, wenn der Mensch dahinter fehlt – und wie man sich an jemanden erinnert, dessen öffentliches Leben eng mit seiner Erkrankung verknüpft war.
Um nachzuvollziehen, warum der Tod von Jan Zimmermann so viel Resonanz auslöst, lohnt sich ein Blick auf seinen Weg: von einem Fernsehbeitrag, der alles veränderte, bis hin zu einem der bekanntesten Gesichter zum Thema Tourette im deutschsprachigen Netz.
Vom Galileo Beitrag zum YouTube Erfolg mit Gewitter im Kopf
Bekannt wurde Jan Zimmermann 2019 durch einen Beitrag in der ProSieben-Sendung „Galileo“. In dieser Reportage sprach er offen über sein Leben mit dem Tourette-Syndrom – über unkontrollierte Bewegungen, plötzliche Laute und die Reaktionen seiner Umwelt. Der Auftritt erreichte ein großes Publikum und weckte breites Interesse an seiner Geschichte. Viele Zuschauer wollten erfahren, wie sein Alltag tatsächlich aussieht und wie er mit den Herausforderungen seiner Diagnose umgeht.
Gemeinsam mit seinem Freund Tim Lehmann entschied sich Jan, diesen Einblick nicht einmalig zu lassen. Kurz nach der TV-Ausstrahlung starteten die beiden den YouTube-Kanal „Gewitter im Kopf“. Dort nahmen sie ihre Zuschauer mit in Jans Alltag: in humorvolle Situationen, in spontane Momente, aber auch in Phasen, in denen die Tics sehr präsent waren. Der Kanal wuchs rasant. Bald folgten ihm auf YouTube fast zwei Millionen Menschen, auf Instagram kamen mehrere Hunderttausend weitere hinzu.
Das Konzept war klar: Statt trockener medizinischer Informationen sollten echte Situationen, Gespräche und Reaktionen gezeigt werden. Jan und Tim inszenierten Challenges, Ausflüge und Alltagserlebnisse – immer mit dem Ziel, Tourette nicht zu beschönigen, aber auch nicht nur auf die Krankheit zu reduzieren. Viele Fans berichteten später in Kommentaren, sie hätten durch die Videos zum ersten Mal verstanden, wie vielfältig das Erscheinungsbild der Störung sein kann.
Für Menschen mit ähnlicher Diagnose war Jans Präsenz im Netz ein wichtiger Anker. Zahlreiche Betroffene und Angehörige schilderten, die Videos hätten ihnen Mut gemacht, offener mit der Erkrankung umzugehen oder Unterstützung zu suchen. Gleichzeitig war Jan sich des Spagats bewusst: Unterhaltsame Inhalte sollten nicht dazu führen, dass die Belastung durch Tourette verharmlost wird. In Interviews und Formaten abseits der reinen Unterhaltung sprach er immer wieder über Erschöpfung, Schmerzphasen oder soziale Hürden.
In den Monaten vor seinem Tod wurde es etwas stiller um „Gewitter im Kopf“. Die letzten größeren YouTube-Projekte lagen bereits einige Zeit zurück, und auch auf Instagram traten persönliche Einblicke teilweise in den Hintergrund. Dennoch blieb der Kanal als Archiv seiner Arbeit bestehen – als Sammlung von Momenten, in denen er sich und seine Erkrankung mit bemerkenswerter Offenheit zeigte.
Leben mit Tourette zwischen Therapie Eingriff und Alltag
Im Mittelpunkt von Jans öffentlichem Wirken stand seine Tourette-Erkrankung. Die damit verbundenen motorischen und vokalen Tics begleiteten ihn durch Kindheit, Jugend und Erwachsenenalter. In vielen Videos erklärte er, wie sich diese Symptome anfühlen, wie anstrengend sie im Alltag sein können und wie schwierig es manchmal ist, auf Unverständnis oder Spott zu reagieren. Gleichzeitig betonte er immer wieder, dass er nicht auf seine Diagnose reduziert werden möchte – Tourette sei ein Teil von ihm, aber nicht alles.
Ende 2022 entschloss sich Jan zu einem großen medizinischen Schritt: Er ließ sich einen sogenannten Hirnschrittmacher implantieren, also ein System zur tiefen Hirnstimulation. Ziel des Eingriffs war es, die Häufigkeit und Intensität seiner Tics zu verringern. In Berichten darüber wurde deutlich, dass die Behandlung zwar Erleichterung bringen kann, aber keineswegs eine vollständige „Heilung“ bedeutet. Auch nach der Operation blieb Tourette ein fester Bestandteil seines Lebens.
Die Entscheidung für einen solchen Eingriff ist für viele Betroffene weitreichend. Sie berührt nicht nur medizinische Fragen, sondern auch Selbstbild und Alltag: Wie verändert sich das eigene Auftreten, wenn Symptome abnehmen oder sich verschieben? Was bedeutet es für Berufsleben, Beziehungen und Selbstwahrnehmung? Jan machte keinen Hehl daraus, dass er mit diesen Fragen ringt. Indem er Teile dieses Prozesses öffentlich teilte, bot er anderen Betroffenen eine seltene Perspektive auf die persönlichen Seiten moderner Therapien.
Im Zusammenhang mit seinem Tod tauchte immer wieder die Frage auf, ob Tourette, der Hirnschrittmacher oder andere gesundheitliche Faktoren eine Rolle gespielt haben könnten. Medien wie „Bild“ betonen, dass hierzu keine gesicherten Erkenntnisse vorliegen. Die Polizei verweist lediglich darauf, dass es keinen Hinweis auf eine strafbare Handlung gibt. Alle weiteren Spekulationen wären aus heutiger Sicht nicht belegbar.
Für seine Familie war offenbar wichtig, zumindest einen Teil der medizinischen Hintergründe zu benennen, ohne in Details zu gehen. In ihrem öffentlichen Beitrag schilderten sie, Jan sei an einem epileptischen Anfall verstorben, der völlig unvermittelt aufgetreten sei. Mehr möchten die Angehörigen bislang nicht preisgeben – ein Wunsch, der vor allem mit Blick auf die enorme öffentliche Aufmerksamkeit nachvollziehbar ist.
Trauer in der Community Reaktionen Erinnerungen und Abschied
Die Nachricht von Jans Tod verbreitete sich in den sozialen Medien innerhalb kürzester Zeit. Unter dem Instagram-Post der Familie und unter älteren YouTube-Videos sammelten sich tausende Kommentare. Viele Nutzerinnen und Nutzer beschrieben, wie sehr sie seine offene Art beeindruckt habe, andere schrieben, seine Videos hätten ihnen durch schwere Phasen geholfen oder ihnen ein Lächeln geschenkt, wenn es ihnen schlecht ging.
Neben langjährigen Followern meldeten sich auch Personen des öffentlichen Lebens zu Wort. Unter anderem äußerte sich der Komiker Chris Tall, der seine Anteilnahme ausdrückte und den Hinterbliebenen Stärke und Zusammenhalt wünschte. Solche Reaktionen zeigen, wie weit Jans Wirkungskreis über die eigentliche Tourette-Community hinausreichte: Er hatte sich im deutschsprachigen Netz als feste Größe etabliert, die vielen Menschen vertraut war, obwohl sie ihn nie persönlich getroffen hatten.
In zahlreichen Kommentaren wurde deutlich, dass Zuschauerinnen und Zuschauer ihn nicht nur als „den Typ mit Tourette“ wahrnahmen. Immer wieder fielen Begriffe wie Humor, Ehrlichkeit, Direktheit und Warmherzigkeit. Gerade diese Mischung aus Selbstironie und Offenheit machte für viele den besonderen Reiz seiner Videos aus. Er zeigte, dass es möglich ist, mit einer sichtbaren Erkrankung im Rampenlicht zu stehen, zu lachen, Fehler zu machen und trotzdem ernst genommen zu werden.
Für die Angehörigen ist diese Welle an Reaktionen Fluch und Segen zugleich. In ihrem Statement bedankten sie sich ausdrücklich für den großen Zuspruch, baten aber auch darum, ihre Trauer zu respektieren und nach der ersten Zeit der Anteilnahme auf weitere Nachrichten zu verzichten. Hinter dem öffentlichen Bild des YouTubers steht eine Familie, die einen Sohn, Bruder oder Freund verloren hat – und die diesen Verlust zunächst im kleinen Kreis verarbeiten möchte.
Wie es mit den Kanälen „Gewitter im Kopf“ und den dazugehörigen Profilen weitergeht, ist bislang offen. Denkbar ist, dass sie als digitales Archiv bestehen bleiben und damit auch künftig Menschen erreichen, die sich erstmals mit Tourette beschäftigen. Sicher ist schon jetzt: Jans Einfluss auf die Wahrnehmung neurologischer Erkrankungen im Netz bleibt. Er hat geholfen, Vorurteile abzubauen, und gezeigt, dass Betroffene selbstbewusst und sichtbar auftreten können – mit allen Widersprüchen, die ein solches Leben mit sich bringt.
Für viele, die ihn über Jahre begleitet haben, steht deshalb weniger die Frage im Vordergrund, wie genau es zu seinem frühen Tod kam, sondern vielmehr, was von ihm bleibt: Erinnerungen an gemeinsame Online-Momente, an spontane Ausbrüche von Humor, an nachdenkliche Aussagen und an den Mut, sich mit einer nicht alltäglichen Diagnose der Öffentlichkeit zu stellen.
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Verwendete Quellen:
t-online.de: „Jan Zimmermann: YouTube-Star "Gewitter im Kopf" stirbt mit 27 Jahren“









